»Dialog ist ganz wichtig«
Interview mit Anke Skupin, Stadt Schwerte
Um die Potentiale der lokalen Demokratie zu stärken, wird es immer wichtiger, neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Einwohnerschaft, organisierter Zivilgesellschaft, lokaler Wirtschaft, Politik und Verwaltung zu erproben. Es gilt, die Anregungen der Menschen vor Ort und ihr Engagement wertzuschätzen und aufzugreifen. Doch wie kann die Gestaltung einer solchen neuen Kultur der Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene gelingen? Anke Skupin ist kommunale Mitarbeiterin und verantwortlich für die Organisation und Moderation des partizipativen Entwicklungsprozesses der »MitMachStadt« Schwerte. Sie zeigt im Gespräch, wie zivilgesellschaftliches Engagement mit kommunaler Bürgerbeteiligung verbunden werden kann.
Frau Skupin, Schwerte hat eine lange Tradition und eine besondere Geschichte, was das Engagement seiner Bürgerinnen und Bürger betrifft. Woran liegt das?
Diese Frage haben wir uns auch schon gestellt (lacht). In Schwerte, einer überschaubaren Stadt mit 48.0000 Einwohner/innen, gibt es tatsächlich ein sehr ausgeprägtes bürgerschaftliches Engagement. Und schon vor zwei, dreihundert Jahren gab es hier ein ganz aktives Nachbarschaftswesen, insofern gibt es schon eine gewisse Historie. Aber wir als Stadt tun auch einiges dafür, damit das so bleibt. Wir schaffen Möglichkeitsräume und wir bieten Vernetzung. Ich glaube, beides hilft, damit Engagement gedeihen und sich gut entwickeln kann.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Wir machen in Schwerte zum Beispiel regelmäßig Vernetzungskonferenzen. Dazu laden wir lokale Initiativen, Gruppen, Vereine und Interessierte ein, sowohl über unsere internen Verteiler, aber auch über die städtische Öffentlichkeitsarbeit, über die Politik. Wir versuchen, Themen zu finden, die uns in Schwerte beschäftigen und die uns zugleich über den Tellerrand schauen lassen. Wir machen aktuell zum Beispiel eine Veranstaltungsreihe zum Klimawandel, die gut besucht ist. Zugleich wollen wir mit diesen Treffen auch Raum für Ideen schaffen. Und tatsächlich haben sich im Rahmen der Veranstaltungsreihe bereits zivilgesellschaftliche Gruppen gefunden, die konkrete Ideen umsetzen wollen, zum Beispiel einen Klimarat, eine Bürgerenergiegenossenschaft, eine Regionalwährung. Ich glaube, dass wir als Kommune zusammen mit anderen Akteuren der Stadtgesellschaft solche Räume schaffen müssen, in denen sich Menschen treffen, diskutieren und gemeinsam gucken können: Was brauchen wir für unsere Stadt und für unsere Kommune, um sie weiter zu gestalten? Auf dem Weg hin zu einer Bürgerkommune sind Bürgerbeteiligung und bürgerschaftliches Engagement zwei Seiten einer Medaille.
Auch Leitlinien für Bürgerbeteiligung spielen in Schwerte eine Rolle.
Das stimmt. Dass es mich in dieser Funktion überhaupt gibt, hat in der Tat damit zu tun, dass Politik, Verwaltung und Bürger/innen in Schwerte in einem 4-jährigen partizipativen Prozess Leitlinien für das Thema Bürgerkommune erarbeitet haben, die am Ende einstimmig und über Parteigrenzen hinweg beschlossen worden sind. Die Leitlinien sind eine wunderbare Grundlage, weil daraus wichtige Bausteine entstanden sind, wie zum Beispiel unser »Mitmachbüro«. Das Mitmachbüro liegt zentral am Marktplatz und versteht sich als Anlaufstelle, in der wir Initiativen beraten und unterstützen, in der wir aber auch Seminare, Workshops, Weiterbildungen und Praxishilfen fürs Engagement anbieten. Neben diesem analogen Angebot haben wir zudem ein digitales städtisches Mitmachportal eingerichtet, das Bürger/innen nutzen können, um Ideen und Vorschläge einzubringen, die dann im politischen Raum diskutiert werden. Und wir haben das sogenannte »MitMachGremium« geschaffen, deren Mitglieder darauf achten, dass die Leitlinien und alles, was wir miteinander geschaffen haben, auch weiterentwickelt und umgesetzt werden und keine Ideen in Schubladen verschwinden. Die Schwerter Leitlinien sind ein Versprechen an die Stadtgesellschaft, vor Ort mitgestalten zu können.
Können Sie den Prozess der Leitlinienentwicklung noch einmal kurz erläutern?
Wir haben es damals im Leitlinienprozess so gemacht, dass wir uns klare Regeln des Miteinanders gegeben haben. Es braucht viel Dialog und viel Austausch miteinander, es braucht ein Ernstnehmen der unterschiedlichen Positionen, neben Politik, Verwaltung und Bürger/innen war ja auch die Wirtschaft mit im Boot. Der einstimmige Ratsbeschluss kam auch deswegen zustande, weil sich alle mitgenommen gefühlt haben. Ich glaube, Dialog ist ganz wichtig. Und es braucht einen formellen und informellen Rahmen, um einander zuzuhören und Verständnis für die unterschiedlichen Positionen zu erzeugen. Wichtig ist, das Vertrauen zwischen den Menschen entsteht.
Aus Sicht der Verwaltung: Ist die Zivilgesellschaft Treiber oder Bremsklotz, wenn es darum geht, neue Themen aufzugreifen?
Die Bearbeitung des Klimawandels ist natürlich ein Thema, das auch im Interesse der Kommune liegt, das ist ja gar keine Frage. Aber ich glaube schon, dass die Bürgerinnen und Bürger als Expert/innen des Alltags Themen beschleunigen können, dass Zivilgesellschaft tatsächlich Treiber sein und mit anderen oder neuen Ideen aufwarten kann, die vielleicht noch nicht gedacht sind und die nicht direkt aus Verwaltung und Politik kommen.
Welche Rolle spielen Kinder und Jugendliche in dem Zusammenhang? Wie werden sie in Schwerte eingebunden?
Kinder und Jugendliche zu begeistern, ist nicht immer ganz einfach. Wir haben in Schwerte ein Instrument, um Beteiligung früh zu befördern, das ist der Schülerhaushalt, den machen wir an den Grundschulen jetzt schon im dritten Durchlauf. Auch an den weiterführenden Schulen wollen wir ihn einführen, damit Kinder lernen, wie Demokratie funktioniert. Wie kann ich mich einbringen, wie kann ich mich beteiligen? Wie kann ich mein Umfeld gestalten? Aber wir müssen uns auch fragen, wie wir Kinder und Jugendliche noch besser mit an Bord nehmen können. Gemeinsam mit dem Kinder- und Jugendparlament sind wir hier auf einem guten Weg.
mitarbeiten 1/2024
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